Seit April letzten Jahres wartete ich darauf Splittermond zu spielen. Ende diesen Juni erschien das Grundregelwerk auf dem Markt und der Uhrwerk Verlag ließ mir ein Exemplar zum Testen zukommen. Letzten Sonntag beendete meine Rollenspielgruppe das Abenteuer „Türme im Eis“ und ich kann endlich über das neue System schreiben. Wer nur wissen möchte was Splittermond ausmacht findet alles dazu im Fazit am Ende der Rezension.
Ein Rollenspiel für Anfänger?
Die typischen Texte was überhaupt ein Rollenspiel ist kennt jeder der bereits eines spielte und es ist quasi jedes Mal das Gleiche. Für mich war es nun allerdings das erste Mal, dass auf zwei Seiten der tatsächliche Ablauf In- und Outtime bzw. am Spieltisch und in der Phantasiewelt beschrieben wurde. Eine großartige Idee, auch wenn Pen & Paper Let’s Plays noch viel hilfreicher sind.
Dort begann und endete jedoch meine Hoffnung Splittermond sei ideal für Rollenspielanfänger geeignet, denn selbst unsere rollenspielerfahrene Gruppe wälzte sich bisher jede Runde durch das Regelbuch um u.a. Grundlagen nachzuschlagen. Eine Gruppe die tatsächlich nie zuvor ein Tischrollenspiel spielte, darf natürlich direkt voll einsteigen, sollte aber dennoch zur Einsteigerbox greifen, denn:
Während sich das Grundregelwerk und die beiden Schnellstarter zwar nicht nur, aber doch in erster Linie an Spieler richten, die bereits zum Hobby Rollenspiel gefunden haben und nun mit Splittermond ein weiteres System ausprobieren wollen, soll diese Box vor allem auch echte Neulinge ansprechen. Das heißt für uns: nochmal ans Reißbrett für eine abgespeckte und einsteigerfreundliche Regelversion, die dennoch erkennbar Splittermond bleibt; Abenteuer zum sofortigen Losspielen, die Spieler und Spielleiter soweit wie nötig an die Hand nehmen, ohne sie zu unterfordern; und dazu natürlich alles Handwerkszeug bereitzustellen, das man für den gelungenen Start der Rollenspielkarriere so braucht – vom Archetypen bis zum Würfel.
Die große Bedeutung des Spielleiters
Im Splittermond-Forum las ich in einem Beitrag zum System eine grandiose Beschreibung die ich einfach zitieren muss:
Man könnte ein Trinkspiel aus Formulierungen wie „im Ermessen des SLs“ oder „der SL entscheidet“ machen, ohne dass ein Vulkanzwerg (Konstitution 5) eine reelle Chance hätte, den Settingteil hinten im Buch zu erreichen. Das Spiel allerdings weiß um seinen starken Spielleiter und versucht auch gar nicht erst, irgendetwas anderes zu behaupten.
Der Einfluss des Spielleiters beginnt bereits bei der Charaktererstellung und zieht sich durch das gesamte Spiel. Anhänger moderner bzw. indie Rollenspiele könnte dies sauer aufstoßen, läuft der (angebliche) Trend doch in die Gegenrichtung. Da ich bislang kein Pen & Paper ohne Spielleiter spielte kann ich dazu nichts sagen. Ich kenne es nur mit SL und störe mich daran nicht. Zumal es dadurch auch gewisse Freiheiten in den Regeln gibt, diese werde ich später erläutern.
Die Probe
Jede Würfelprobe in Splittermond läuft gleich ab: Eine Mechanik die alles abdeckt. Egal ob ihr Magier seid und einen Zauber sprecht, ein Schwertkämpfer der seine Waffe schwinkt oder ein Dieb der durch die Gassen schleicht – einfach alles folgt diesem Schema:
Fertigkeitswert + 2W10 (+ Modifikatoren) = Probenergebnis
Möchtet ihr auf jeden Fall einen Patzer ausschließen, könnt ihr einen Sicherheitswurf durchführen: von 2W10 zählt nur der Würfel mit der höchsten Zahl. Dadurch ist allerdings auch kein Triumph möglich. Für diesen und für Patzer werden zwei Würfel benötigt. Die Probe kann aber selbstverständlich immer noch misslingen.
Für risikofreudige Spieler gibt es als zweite Alternative, den Risikowurf: ihr würfelt hierbei jedoch 4W10 und die beiden höchsten Würfel werden gewertet. Zeigen zwei Würfel jedoch einen Patzer an, gilt die Probe als verpatzt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 14% mag ein Patzer gefühlt eher selten vorkommen, aber die Auswirkungen auf der Patzertabelle tun weh.
Auch wenn die Mechanik alles abdeckt, unterschätzt die Modifikationen nicht. Die Probe kann schnell folgendermaßen aussehen:
Fertigkeitswert + 2W10 + Überzahl + Taktischer Vorteil + Meisterschaft + Buff – Negativer Umstand – Leicht negativer Umstand = Probenergebnis
Erfolgsgrade der Probe
Gerade unerfahrene Spielleiter stellen sich nach einer Probe die Frage: wie ist das Probenergebnis zu interpretieren? Wie gut oder schlecht war der Wurf? Dafür gibt es die Erfolgsgrade. Jeweils 3 Punkte, die das Probenergebnis über der geforderten Schwierigkeit liegt, ergeben einen Erfolgsgrad. Bei misslungenen Proben entsprechend -3 Punkte unter dem Zielwert.
Beträgt bspw. der Zielwert 20 und das Probenergebnis 26 wurden 2 Erfolgsgrade erreicht. Im Abenteuer „Türme im Eis“ können die Spieler in der Stadt Albronnen bspw. eine Strassenkunde-Probe ablegen um an Informationen über einen Dieb zu gelangen. Je nach Erfolgsgrad erhalten sie mehr Informationen. Erfolgsgrade erhöhen zudem den Schaden von Angriffen, machen Manöver im Kampf überhaupt erst möglich und verbessern euer Kopfrechnen ;)
Wer ist eigentlich dran?
Viele Rollespielsysteme beschäftigt diese Frage. Die Standardlösung ist es auszuwürfeln oder wie in Savage Worlds eine Pokerkarte bestimmten zu lassen. Splittermond verfolgt hier einen ziemlich realistischen Ansatz, der mich seit der ersten Runde begeistert: die Tickleiste des Ticksystems. Zwar wird auch zu Beginn gewürfelt, doch entscheiden danach einzig und allein eure Handlungen wer an der Reihe ist.
Jede Aktion hat eine definierte Dauer die in sog. Ticks gemessen wird. Eine Abenteurerin die im Nahkampf verwickelt ist und viele kurze Aktionen durchführt ist öfter an der Reihe als eine Beschwörungsmagierin die ein Ritual vollzieht. Das ist in jedem System so, doch hier muss der Magier nicht jede Runde an der Initiativephase teilnehmen nur um, sobald er an der Reihe ist zu sagen: „Ich ritualisiere weiter“. Im Gegenzug dafür muss natürlich das Ticksystem verwaltet werden und dazu gehören eine Menge Regeln, z.B. was passiert wenn eine Handlung unterbrochen wird.
Erschaffung eines Abenteurers
In so manchem System baute ich bereits Charaktere, aber nirgends gefiehl es mir so gut wie in Splittermond. Zur Erschaffung stehen euch 2½ Wege offen: Die freie Charaktererschaffung, die Modul-Charaktererschaffung und eine Kombination aus beidem. Ein Beispiel anhand von Schritt 3, die Kultur:
Freie Erschaffung: Verteilen Sie 15 Punkte auf Fertigkeiten, die zur Kultur Ihres Abenteurers passen (je maximal +2, Magieschulen maximal eine einzelne +1), und wählen Sie eine passende Stärke im Wert von 1 Punkt. Sie erhalten zusätzlich die Stärke Kulturkunde für die Heimatregion der Kultur kostenlos. Weiterhin wählen Sie 1 passende Meisterschaft der ersten Schwelle …
Modul-Erschaffung: Wählen Sie ein Kultur-Modul.
Jeder Schritt der Generierung stellt euch vor die Wahl: Freie- oder Modul-Erschaffung? Die Kultur gefällt euch wie sie ist? Gut, dann übernehmt einfach die Werte. Keines der Abstammungsmodule passt zum Charakter? Hier, nimm diesen Haufen Werte und bastel dir etwas schönes draus. Jede Zielgruppe wird bedient. Wer möchte kann stundenlang alles bis ins kleinste Detail anpassen oder sich in kurzer Zeit einfach über die Module etwas (stimmiges) zusammensetzen. Die Ersterschaffung der Charaktere dauerte bei uns durchschnittlich fünf Stunden. Ein Großteil der Zeit diente allerdings dem Regelverständnis und der Kommunikation zwischen Spieler und Spielleiter. Denn bereits bei der Charaktererstellung stellen Spieler fest: es gibt Punkte die sie nicht selbstständig abschließend bearbeiten können. Der große Vorteil liegt in der individuellen Gestaltung des Abenteurers durch den Spieler. Allerdings muss ein Spieler auch kreativ sein wollen, will er das nicht, wird aus dem Vorteil schnell ein Nachteil. Am Beispiel der Ressource „Kontakte“ lässt sich dies wunderbar demonstrieren:
Du bist, wen du kennst – dieser Satz gilt in vielen Gegenden von Lorakis. Kontakte können einem Abenteurer auf viele Weise nützlich sein:
Sie dienen als Informationsquellen, können einem die richtigen Leute vorstellen oder Waren beschaffen, die sonst schwierig zu bekommen sind. [..] Ein hoher Wert in Kontakte kann bedeuten, dass der Abenteurer beinahe überall einige wenige Personen kennt oder aber, dass er in einer kleinen Region so gut wie jeden kennt. Die genauen Umstände sollte jeder Spieler in Absprache mit dem Spielleiter festlegen. Auch die Entscheidung, ob Kontakte in einer konkreten Situation hilfreich sind, liegt beim Spielleiter.
Darunter findet sich eine Tabelle die dem Zahlenwert der Ressource eine Bedeutung zuteilt, daraus vier Zeilen:
Punkte | Bedeutung | Beispiele |
0 | eine Handvoll Freunde | ein gewöhnlicher Handwerker |
1 | einige nützliche Bekannte | eine Marktschreierin in einem Viertel Iorias |
2 | viele Bekannte in verschiedenen Positionen | ein reisender Fernhändler |
3 | dichtes Informantennetz | eine Schurkin mit oft wechselndem Einsatzgebiet |
Das war’s. Mehr steht dazu nicht im Regelwerk und allein die Mentalität des Einzelnen entscheidet hier, ob es sich um eine Freiheit oder einen Zwang handelt kreativ zu werden was genau die Bedeutung nun konkret bedeutet. In die gleiche Kerbe schlägt auch der nächste Abschnitt.
Schöne Charakterschwächen
In anderen Systemen oft Nachteile genannt, liebe ich die Umsetzung der Schwächen in Splittermond. Neben gutem Rollenspiel besteht die Motivation eine Schwäche auszuspielen in der Belohnung mittels Splitterpunkten. Das Beste ist jedoch: Schwächen dienen allein dem Flair und kein Spieler muss sich damit eindecken um Punkte für anderen Kram zu bekommen.
Mir ist die Auswahl der im Buch vorgestellten 20 Schwächen zu gering. Es bedarf zwar etwas Kreativität um die Liste zu erweitern, doch da es kein Balancing zu berücksichtigen gilt hätten die Redakteure ruhig 1-2 Seiten ergänzen dürfen. In Absprache mit dem Spielleiter kann ein Spieler aber eine Schwäche bestimmen die ideal auf die Persönlichkeit des Abenteurers zugeschnitten ist und wer wollte nicht schon immer einmal einen Dr. Sheldon Cooper oder Adrian Monk spielen? ^^
Mondzeichen und Splitterpunkte
Jeder Abenteurer ist ein sog. Splitterträger und verfügt dadurch über eines von 10 Mondzeichen. Allesamt sind sehr unterschiedlich und sollen, neben einer weiteren Individualisierung, dem Charakter eine mächtige Fähigkeit verleihen. In der Praxis stellten sich die Mondzeichen jedoch als äußerst speziell heraus und selbst wenn die Situation den Einsatz ermöglicht hätte, wählten meine Spieler lieber die +3 Punkte auf ihre Probe. Denn dafür lassen sich die Splitterpunkte ebenfalls ausgeben.
Zum Beispiel das Mondzeichen „Blitz“: es verkürzt nur eine einzelne Kampfhandlung (einmal Zuschlagen, ein Schwerthieb, ein Schuss), damit der Einsatz interessant wird müsste es länger halten. Für unsere Gruppe sind die Mondzeichen nett, aber nicht hilfreich und zu teuer. Was schade ist, da ihre Bedeutung so immens ist: tragen diese Auserwählten doch einen Splitter des blauen Mondes in sich, dem Namensgeber des Systems.
Sehr entspannt ist dafür die Verwaltung der Splitterpunkte: zu Beginn einer Spielrunde werde einfach alle Punkte wiederhergestellt, egal was sich zuletzt in der Spielwelt abspielte. Beim Erreichen des nächsten Heldengrads erhöht sich der Vorrat zudem automatisch um zusätzliche Splitterpunkte.
Eure Abstammung und Ausbildung
Es gehört zum Ton im Rollenspiel eine Hintergrundgeschichte auszuarbeiten. Die Abstammung und Ausbildung eures Abenteurers sind sogar zwei Stationen während der Generierung. Das eine bestimmt womit eure Eltern ihren Lebensunterhalt verdienten und das andere womit ihr euren Lebensunterhalt verdient bzw. verdientet bevor ihr, warum auch immer, beschlosst mit zwei Alben und einem Gnom nach Esmoda (die Stadt der Untoten) zu reisen.
Die Ausbildungsmodule spiegeln einen guten Eindruck des Fantasy- und Magieniveaus wider – Töpfer, Hirte oder Rattenfänger sucht man hier vergebens. Wie oben bereits erläutert steht euch nichts im Wege die Module euren Wünschen anzupassen oder eigene zu entwerfen.
- Elementarist
- Entdecker
- Glaubenskrieger
- Heiler
- Kämpfer
- Kundschafter
- Magischer Unterhändler
- Mystischer Krieger
- Prieser des Wissens
- Ränkeschmied
- Recke
- Schattenklinge
- Schurke
- Verwandler
- Waldläufer
- Wanderpriester
Bis auf wenige Ausnahmen die gewisse Voraussetzungen vorschreiben, ist es möglich die Module kreuz und quer zu mischen. Somit bieten selbst reine Modul-Charaktere ein Mindestmaß an Individualität.
Wie entwickeln sich Abenteurer?
In Splittermond gibt es statt Level oder Stufen die vier Heldengrade. Zu deren Bestimmung wird nicht auf die erhaltenen Erfahrungspunkte geachtet, sondern auf die tatsächlich eingesetzen:
Ein neuer Abenteurer startet immer auf dem Heldengrad Suchender. Hat er insgesamt 100 Erfahrungspunkte ausgegeben, erreicht er den Heldengrad Wanderer. Hat er insgesamt 300 Erfahrungspunkte ausgegeben, erreicht er den Heldengrad Veteran. Bei 600 ausgegebenen Erfahrungspunkten erreicht er schließlich den Heldengrad Heroe.
Der Heldengrad limitiert u.a. folgende zwei Maximalwerte eures Abenteurers: Attributspunkte und Fertigkeitspunkte. Daraus resultiert, dass ihr, nachdem die Lieblingsfertigkeiten eures Abenteurers ihr Limit erreichen, gezwungen seid solange in andere Werte Erfahrungspunkte zu investieren bis ihr den nächsten Heldengrad erreicht. Erst dann darf euer Schurke seine Heimlichkeit verbessern. Dadurch entstehen breit aufgestellte Charaktere und für mich damit auch glaubwürdige.
Der Powergamer unserer Runde findet diese Regelung überhaupt nicht gut, denn sein (oh Wunder) ausschließlich auf Kampf getrimmter Kämpfer hat nicht alle Meisterschaften die er direkt zu Anfang haben will. (^_^)
Meisterschaften
Worin sich Splittermond von anderen Rollenspielen ebenfalls unterscheidet sind die Meisterschaften. Fertigkeiten werden damit nicht nur über eine Zahl repräsentiert, sondern mit konkreten Zusatzfähigkeiten. Für jeden Heldengrad wird beim Erreichen eine neue Schwelle freigeschaltet. Nach und nach sind für Strassenkunde u.a. folgende Meisterschaften erhältlich:
Gerüchte aufschnappen: Der Abenteurer hat ein offenes Ohr für Gerüchte, die in einer Stadt umgehen, und vermag es, falsche von richtigen zu unterscheiden. Der Abenteurer erhält einen Bonus in Höhe von 3 Punkten, wenn er Straßenkunde einsetzt, um Gerüchte aufzuschnappen.
Schwarzmarkt: Der Abenteurer kennt sich damit aus, Diebesgut zu verkaufen oder illegale Dinge zu kaufen. Kauft oder verkauft er auf dem Schwarzmarkt, verändert er den Preis bei Gelingen um 10 % +10 % pro Erfolgsgrad statt um 5 %.
Begabter Straßenwanderer: Der Abenteurer kann einen Splitterpunkt nachträglich ausgeben, um einen Bonus in Höhe seiner Intuition auf die aktuelle Straßenkunde-Probe zu erhalten.
Der richtige Ton: Der Abenteurer nutzt seine Kenntnisse über die Unterwelt. Wenn er es mit zwielichtigen Personen zu tun hat, erhält der Abenteurer einen Bonus in Höhe von 3 Punkten auf Redegewandtheit und Diplomatie. Voraussetzung: Meisterschaft Schwarzmarkt
Überall zu Hause: Der Abenteurer kommt in fremden Städten gut zurecht. Er kann den Malus für unbekannte Städte ignorieren.
Überschneidungen mit dem Weltband
Fast deckungsgleich mit den Texten im Weltband sind die Rassenbeschreibungen. Diese sind im Grundregelwerk sogar um einen großen Absatz kürzer. Der Grund der Redundanz findet sich im Vorwort des Weltbandes:
Mit dem vorliegenden Band können Sie den Kontinent Lorakis aber auch mit Spielregeln Ihrer Wahl entdecken.
Ergo: Spieler die nicht nach Splittermondregeln spielen wollen, benötigen Rassenbeschreibungen und Spieler die auf den Kauf des Weltbandes verzichten wollen, benötigen ebenfalls Rassenbeschreibungen. Da es sich dabei nur um fünf Seiten handelt mag die Erwähnung kleinkariert wirken, aber reine Splittermondspieler kaufen diese fünf Seiten zweimal. Genauso, doch mit geringerer Schnittmenge, verhält es sich mit den Kulturmodulen, den Mondpfaden und der Weltgeschichte – in einem Buch steht die ausführliche Version, in dem anderen die gekürzte. Auch wenn die Gründe nachvollziehbar sind stört es mich, dass all diese Seiten nicht anderweitig genutzt wurden.
Eine krass-magische Welt …
Um der Spielerschaft klarzumachen welches Fantasy-Niveau die Autoren von Splittermond zugrunde legen gibt es viele schöne Beispiele im Regelwerk zu lesen – drei davon sind diese:
Beinahe jeder Lorakier nutzt zumindest einfache Zaubereien wie selbstverständlich zur Vereinfachung seines Lebens und keiner wundert sich, wenn der Wirt in der Taverne das Bier im Krug auf Nachfrage mit einem kleinen Frostzauber kühlt […] oder der Gefährte das Lagerfeuer mit einem Fingerschnippen entzündet.
In der Kriegsführung sind kleine Einheiten magisch verstärkter Einzelkämpfer oft ebenso wichtig wie größere Heerhaufen regulärer Truppen […]. Auch die Manipulation des Schlachtfelds und der Einsatz mächtiger Rituale sind nicht selten, weswegen Einheiten kompetenter Bannmagier bei größeren Feldzügen beinahe schon eine Notwendigkeit darstellen.
Beim Festungsbau wird die Möglichkeit fliegender Gegner häufig von vornherein berücksichtigt. […] Auch sonst werden bei der Sicherung von Anwesen diverse übliche Zauber bedacht, ebenso wie Wachen meist lernen, worauf sie besonders zu achten haben.
Selbst in Dungeons & Dragons erlebte ich kein höheres Maß an Magie und das will schon etwas heißen. Dabei gibt es nur ein Problem: die Fokuspunkte die zum Wirken von Magie benötigt werden sind unserer Gruppe zu wenig um einfach mal aus Spaß zu zaubern, wodurch die genannten Beispiele nicht dem Gefühl der Realität entsprechen.
… und ihre Monster
Wagen sich die Abenteurer hinaus in die Wildnis können sie zudem auf allerei Monster treffen, darunter auch Drachen und Einhörner, aber auch Baumwandler, Djinne und Orks. Letztere sind offiziell zum Abschuss freigegeben. Du (als SL) brauchst einen Gegner bei dem deinen Spielern sofort klar sein soll was Sache ist? Verwende einen Ork und verhindere von vornherin die typischen Überlegungen einer Spielergruppe die gerne mal ins metaphysische transzendieren was wohl dahinterstecken könnte. Orks hatten weder eine schlechte Kindheit, noch sehnen sie sich insgeheim nach Liebe – Orks wollen einfach nur zerstören, dafür werden sie gezüchtet und ausgebrütet. Naja, die Kindheit war vermutlich doch eher scheisse ^^
Ohne Vorkenntnisse können Spielleiter sehr leicht Monster einbauen, denn jedem wurde ein Monstergrad zugeteilt. Über diesen ist mit einem Blick ablesbar welcher Heldengrad ein Einzelner besitzen sollte um es zu besiegen und welcher Heldengrad eine Gruppe benötigt um eine Chance zu haben. Dadurch werden auch Wertanpassungen leichter.
Systemanpassungen – Hausregeln 2.0
Oben schrieb ich, dass unsere Rollenspielgruppe gerne mehr Fokuspunkte zur Verfügung hätte. Eine Lösung wäre die Formel zur Berechnung der Punkte bei Erstellung der Abenteurer anzupassen, also eine Hausregel zu entwerfen. Interessanterweise dachten sich die Autoren ganze Sets Hausregeln aus, gruppierten sie nach den Stimmungen die sie erzeugen und stellen diese als Systemanpassungen den Spielern zur Verfügung. Teilweise gehen damit einige Regeländerungen einher, weswegen ich zur Veranschaulichung jeweils nur eine Anpassung nenne:
Nur gewöhnliche Sterbliche
Auch wenn seit dem Mondfall Trümmerstücke auf Lorakis niederregneten, gehören in dieser Anpassung die Abenteurer doch nicht zu den wenigen Auserwählten, die die Kraft eines Mondsplitters in sich tragen – sie sind nur gewöhnliche Sterbliche.
Anpassung: Der Schritt „Mondsplitter und Schwächen“ in der Charaktererschaffung wird ersatzlos gestrichen. Die Abenteurer besitzen keine Mondzeichen und sind nicht in der Lage, Splitterpunkte einzusetzen oder zu erlangen.
Wer blutet, stirbt
Ein Kampf ist kein Spiel. Jede Unachtsamkeit im Kampf kann den Tod bedeuten, und eine Verletzung ist eine ernsthafte Einschränkung. Kämpfe sind schneller und blutiger – und auch für die Abenteurer tödlicher.
Anpassung: Die Zustände Blutend und Verwundet enden nicht mehr von selbst. Sie dauern fort, bis sie mit Heilkunde versorgt werden.
Magie ist überall!
Magie ist deutlich weiter verbreitet und mächtiger, ihr Einsatz ist ungefährlicher und häufiger. Selbst einfache Straßenräuber können mit Magie einiges bewirken, ganz zu schweigen von den Abenteurern.
Anpassung: Die Fokuspunkte der Abenteurer werden verdoppelt.
Mit der Zeit entwickeln viele Spielergruppen persönliche Hausregeln um ein System nach ihren Wünschen zu formen. Meistens sind dies einzelne kleine Regeländerungen. Sind diese Änderungen weitreichend genug um das Spielgefühl zu ändern, so entsteht eine weitere Systemanpassung. Ich bin mir sicher: mit der Zeit wird die Spielergemeinschaft spannende Systemanpassungen kreieren. Darunter bestimmt auch: „Magie ist nirgends“ und „Nur ein Fleischwunde“ ;)
Fazit
Splittermond ist High-Fantasy vom Feinsten. Jeder kann Zaubern, überall lassen sich magische Gegenstände finden oder selbst herstellen und sogar Reisen durch eine andere Dimension sind keine große Sache, sofern ihr es euch nicht mit der gnomischen Portalgilde verscherzt. Eure Abenteurer lassen sich individuell erstellen und stetig weiterentwickeln, ob ihr dabei grob- oder feinkörnig vorgeht entscheidet ihr – teilweise jedoch nur mit Rücksprache mit dem Spielleiter. Dessen Position ist zudem fundamental, damit das System funktioniert.
Splittermond ist aber auch komplex. Die Notation der Lebens- und Fokuspunkte sollte nicht im Halbschlaf gelesen werden und auch wenn das Ticksystem einen recht realistischen Ablauf der Geschehnisse bietet, so gibt es dabei unglaublich viel zu beachten. Zu guter letzt lässt sich mittels diverser Systemanpassungen das Spielgefühl leicht bis gravierend ändern. Und nur zur Sicherheit nochmal: Splittermond. Ist. Komplex.
Wer nun, am liebsten sofort, selbst einen Blick ins Grundregelwerk werfen möchte, nur zu: die PDF des Buches und eine handvoll Abenteuer stehen kostenlos zur Verfügung, sodass niemand die Katze im Sack kaufen muss. Im Forum gibt es allerhand Material das von Fans erstellt wurde – von Charakterbögen, über weitere Meisterschaften und Zaubern bis hin zu diversen Tickleisten. Dort werdet ihr auch bei all euren Fragen unterstützt und das nicht nur von anderen Spielern oder Spielleitern, sondern auch von den Autoren des Verlags selbst.
Zur Website: Splittermond.de