Goodbye, Deponia! Wie gerne würde ich jetzt als Fan der Serie in den Ruf mit einstimmen und vom würdigen Abschluss einer mitreißenden Trilogie schreiben. Weil ich aber die beiden ersten Teile sträflich vernachlässigt habe, kann ich Deponia 3 nur als Einzelstück beurteilen. Für sich genommen ist das Spiel streckenweise nervig, überzeugt aber insgesamt durch Humor und Einfallsreichtum.
Nervig? Ach was!
Doch, ehrlich. Die mit Abstand stressigste Passage ist denn auch gleich die zweite Szene. Man wird ohne weitere Erklärung direkt ins kalte Wasser geschmissen und muss in einem sehr verwirrenden Hotel sehr verwirrende Rätsel lösen. Ich hatte vorher „Cognition“ gespielt und war Rätsel gewohnt, bei denen immer klar ist, wohin das alles führen wird. Dementsprechend überfordert war ich streckenweise von dem reinen Chaos, mit dem mich Deponia 3 in den ersten Stunden bombardierte. Die andauernden Hinweise des Spiels, das mit dem Chaos sei an dieser Stelle auch so gedacht, milderten meine Irritation nur bedingt. Zur Kommunikation mit ihren Konsumenten nutzen die Designer unter anderem die herrlichen „Hussa!“-Gesänge, die einem zwischen all den Witzen und Blödeleien immer noch so etwas wie den rettenden Kontextanker liefern. Nervig ist die Verwirrung des Spielers in der recht frühen Phase des Spiels trotzdem. So fehlte mir in der Hotelszene über weite Strecken schlicht und einfach ein übergeordnetes Ziel, und es lief auf das spaßfreie Ausprobieren irgendwelcher Möglichkeiten hinaus.
– Gibts da auch eine Geschichte, oder ist das einfach ein Spiel für Kiffer?
– Ja, also … der Typ will seine Freundin retten, aber ihn gibt es jetzt dreifach und das Problem ist, dass die Klonmaschine kaputt war und sie deswegen noch ein Baby ist, aber sie ist in die Kanalisation gefallen, also …
– Alles klar :-)
Liebreiz, dein Name ist Goal
Nach dem Hotel des Grauens wird das Spiel dann aber doch noch gut. Die Beziehung zwischen Goal und Rufus wird mir als Nichtkenner der ersten Teile zumindest halbwegs glaubwürdig gemacht.
Das mit ihrem gespaltenen Bewusstsein habe ich zwar noch immer nicht ganz verstanden, aber sie scheint den Kerl eben gerade zu mögen, weil er so schräg ist. Es wäre interessant zu wissen, ob Rufus Freundin schon immer so sexuell aufgeladen war, oder ob die Entwickler die Figur zum Schluss der Serie noch etwas verschärft haben. In Deponia 3 ist sie eigentlich durchgehend geil oder zumindest Projektionsfläche für Geilheit, und macht sogar als Leiche eine gute Figur. Sonderlich viele Dialogparts hat das Mädchen auch nicht abbekommen. Die paar Male, wo sie etwas sagt, scheint sich ein interessanter Charakter anzukündigen, mit dem man sich gerne noch eine Weile unterhalten würde. Dann wird sie aber entweder entführt und muss gerettet werden, oder sie wird umgebracht und muss wiederbelebt werden. Natürlich ist Rufus zur Stelle und das Abenteuer geht irgendwie weiter, bis die nächste Katastrophe passiert.
Egomanie, dein Name ist Rufus
In Deponia gibt es zuerst mal vor allem eine interessante Person, und das ist Rufus. Dessen Wichtigkeit konnte wohl nicht genügend unterstrichen werden, jedenfalls gibt es ihn nach einer Weile sogar drei Mal, nachdem eine höchst amüsante Szene mit einer Klonfabrik schiefgelaufen ist. Rufus bekommt nichts auf die Reihe, aber das irgendwie immer im richtigen Moment, und hat es sich zur persönlichen Mission gemacht, so ziemlich jeden seiner Bekannten auf die Palme zu bringen.
Streckenweise zuviel des Guten
Der Humor des Spiels lässt sich am treffendsten mit „kluge Leute stellen sich blöd“ beschreiben, und schlägt in eine ähnliche Kerbe wie die alten Monkey Island Titel. Wie bei jeder guten Witzestunde werden die Grenzen des guten Geschmacks mehrmals mit dem Holzhammer bearbeitet, und haben dabei teilweise meinen Sinn für Humor gesprengt. In einer Szene muss ich einer schwarze Frau ihren Freund wegnehmen, sie dann austricksen und nur mit einer Weste bekleidet als Bimbo für einen Affen tanzen lassen. Das ist zwar lustig, aber – im Ernst? Andererseits habe ich kurz vorher einem Pädophilen den Tintenabdruck seiner Eier abgenommen und dann als Tattoo-Motiv für transsexuelle Widerstandskämpfer benutzt. Man wächst anscheinend mit seinen Aufgaben.
– Das sieht aber nicht sonderlich lustig aus.
– Das verstehst du nicht, das ist Humor!
– Achso :-)
Ansonsten abartig amüsant
Das Spiel bleibt von der Szene mit dem Affen abgesehen durchgehend sympathisch, was das durch-den-Kakao-ziehen angeht, und ich habe tatsächlich sehr viel gelacht. Zwischen den Zeilen vermeint man so etwas wie Melancholie wahrzunehmen, was den Dialogen eine interessante Note verleiht und die Albernheiten gefühlt mit mehr Niveau versieht. Diese Art von Humor sollte der Spieler natürlich abkönnen, sonst wird man von Deponia auf Dauer enttäuscht sein. Ein Humor, den man gerne als „zynisch“ bezeichnen würde, der diese Schublade aber gar nicht nötig hat, weil er eine Ebene weiter geht und sich über sich selbst lustig macht, statt bei der Persiflage der Welt stehenzubleiben. Der aber sich aber gleichzeitig nicht zu schade ist, durch alle möglichen und unmöglichen Untiefen zu waten.
Technik vom Feinsten
Technisch ist Deponia 3 sehr gut gelungen. Die Hintergründe und Figuren sind toll gezeichnet, der Soundtrack ist gut produziert und nervt nicht, die Animationen sind flüssig und sorgsam ausgearbeitet. Man sieht, dass hier genügend Geld und Entwicklungszeit ins Spiel geflossen sind, Bugs oder Grafikfehler habe ich beim Durchspielen keine gefunden.
Rätsel
Die Knobelpassagen im Adventure könnten unterschiedlicher nicht sein. Offensichtliche Rätsel wechseln sich mit schweren Kniffligkeiten ab. Das schafft genügend Abwechslung und lässt, abgesehen von der bereits erwähnten Hotelpassage, keine Langeweile aufkommen. Immer wieder wird das Spiel für ein überspringbares Minigame gestoppt, in dem man beispielsweise Goal an aufmerksamen Kameras vorbeischleusen muss. Diese Spielchen sind durchgehend gut designt und bieten nochmal zusätzlichen Rätselspaß.
– Was lachst du denn so laut?
– Sorry. Das ist einfach zu dämlich hier.
– Nicht gut?
– Supergeil!
– Aha :-)
Über das Ende lässt sich streiten
Das Ende ist – Mist. Mal im Ernst. Passt überhaupt nicht zum Rest des Spiels. Alternativ gesehen passt es perfekt zum Rest des Spiels. Und ist deswegen Mist. Ich rede von Rufus Rolle und seinen Handlungen, und was er ganz zum Schluss für einen Mist baut. Das kann man jetzt hier nicht weiter ausführen, ohne brutal zu spoilern, aber so oder so gesehen ist das Ende Mist. Ich verstehe, was die damit aussagen wollen, aber es ist trotzdem Mist. Vielleicht wird es glaubwürdiger, wenn man die Enden der anderen beiden Titel kennt. Vielleicht habe ich mir auch nur mit aller Macht ein anderes Ende gewünscht und bin beleidigt. Jedenfalls hat es mir nicht gefallen. Hab ich schon das Wort Mist erwähnt? Aber zumindest ist die Auslösung starker Emotionen in Bezug auf das Ende schon mal positiv zu bewerten, in sofern, als das mir nicht langweilig gewesen ist. Trotzdem – gibts nicht noch ein alternatives Ende irgendwo?
Fazit
Deponia 3 macht Spaß. Daedalic ist hier ein gutes Adventure gelungen, was einen eigenen Humor beweist und technisch sehr gut ausgearbeitet daherkommt. Die Rätsel sind teilweise verwirrend und teilweise ziemlich schwer, aber das sollte bei einem richtigen Adventure auch so sein. Von einer extrem stressigen Passage abgesehen hatte ich viel Spaß auf meinem Weg nach Elysium, und werde mich in jedem Fall nach den Vorgängern umsehen, auch um das Spiel im Gesamtwerk besser einordnen zu können.
Trailer
Alle Bilder: Daedalic Entertainment